Von der Leprosenkirche zur Pfarrkirche St. Josef
Leprosenkirche
Durch die Türen im Turm betritt man den ältesten Teil der Kirche St. Josef. Das heutige rechte Kirchenschiff wurde 1449 als Leprosenkirche gebaut und der hl. Gertrud von Nivelles geweiht. Damals wurde ein Altar der hl. Elisabeth und ein Altar der hl. Gertrud gewidmet. An manchen Tagen hängt vorne im Chor die Kopie eines alten Gemäldes aus unserer Kirche, rechts und links die beiden Frauen, Gertrud und Elisabeth, und in der Mitte ein Leprakranker.
Leprosenkirche? Zwischen 1326 und 1342 errichteten Bürger der Stadt Münster vier Kilometer nördlich der Altstadt mehrere Hütten für Aussätzige gegenüber der heutigen Kirche, da, wo jetzt das alte Fachwerkhaus mit den Gärten rechts daneben steht. In dem Fachwerkhaus befindet sich heute das einzige Lepramuseum Deutschlands. Weitere Informationen zum Lepramuseum finden Sie unter www.lepramuseum.de
Neben der Kirche steht das „Lazarushäuschen“. Es enthält zwei Skulpturen von Gertrud und Lazarus, die so an die Leprakranken erinnern. In einem Opferstock wird noch heute Geld für die Leprakranken in aller Welt gesammelt. Die Mauer aus rotem Klinker links stammt noch vom alten Leprahaus. Sie trennte die Kranken von den Gesunden.
Der Name „Kinderhaus“
Der Name „Kinderhaus“ weist heute noch hin auf die Leprakranken, die damals oft als die „armen Kinder Gottes“ bezeichnet wurden, d.h. hilfsbedürftig wie Kinder. Wegen der Ansteckungsgefahr und weil sie oft ein entstelltes Äußeres hatten, wurden sie ausgegrenzt aus den Wohnbereichen der Gesunden. Am 20. Juni 1333, so ist es in einer alten Urkunden zu lesen, bestellte Bischof Ludwig einen Seelsorger für die Leprosen.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg ließ Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen in den 1660er Jahren den Leprosenhof abreißen und an seiner Stelle das langgestreckte, heute noch bestehende Fachwerkhaus errichten. Es diente zunächst als Waisen- und Arbeitshaus für Kinder und Jugendliche, später bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als städtisches Armenhaus. Bischof Christoph Bernhard von Galen war es auch, der 1672, Kirche St. Josef durch den Anbau eines Chores erweitern und den heutigen Kirchturm errichten ließ. Der Turm und der Gewölbeschlussstein im heutigen Chor zeigen das Wappen des bischöflichen Erbauers. Gleichzeitig bestimmte der Bischof den hl. Josef anstelle der hl. Gertrud zum neuen Patron dieser Kirche.
St. Josef im 20. Jahrhundert
Am 30.11.1908 wurde St. Josef zur Pfarrkirche, bis dahin war sie eine Filialkirche, ein sogenanntes Rektorat, der Pfarrgemeinde Liebfrauen Überwasser. Die neue Gemeinde St. Josef Kinderhaus bestand aus den umliegenden Bauernschaften, mit Coerde und Sprakel.Erster Pfarrer Christoph Bispinck; er liegt auf dem Friedhof in Kinderhaus begraben. Bis zum Ersten Weltkrieg war Kinderhaus zur Zeit des Festes Maria Himmelfahrt ein beliebtes Wallfahrtsziel der münsterischen Katholiken. Erst nach dem Ersten Weltkrieg, besonders in den 1930er Jahren, begann der Siedlungsbau in Kinderhaus und die ersten Geschäfte entstanden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Bevölkerung sprunghaft an. Deshalb wurde 1953 die Kirche um das heutige linke Kirchenschiff, die beiden Querschiffe und den Chorraum erweitert, wobei Maße und Raumgestalt der alten Kirche erhalten und übernommen wurden. Im rechten Querschiff wurden die Sakristei und die damalige Orgel untergebracht. Prof. Wienhausen gestaltete den Tabernakel und die Fenster.
Bei der Neugestaltung des Chorraumes infolge der Liturgiereform im Jahre 1971 erhielt die Kirche den jetzigen Altar und das Kreuz über dem Altar, gestaltet von Will Horsten. 1993 fand die Sakristei in einem Anbau an der Kirche Platz, so dass das rechte Seitenschiff den Kirchenraum erweiterte. Die neue, von der Fa. Klais gebaute Pfeifenorgel erhielt im Jahr 1999 ihren Platz im linken Querschiff.
Kunst am Rand 2020
Im Rahmen der Ausstellung „Kunst am Rand“ wurde vom Juni bis September 2020 am Kirchturm eine Installation der Künstlerin Sandra Silbernagel bestehend aus den drei Wörtern „Glaube – Liebe – Hoffnung“ angebracht. Die Wörter erschienen in der gleichen Typografie, Licht und Farbe, wie an der Kreuzkirche in der Innenstadt Münsters.
Kunstwerke in der Kirche
Die Kirche St. Josef hat einige schöne Kunstwerke aus dem 16. Jahrhundert. Wenn Sie Ihren Rundgang rechts beginnen, schauen Sie auf den „Christus in der Ruhe“. Früher war sein Platz an der Außenmauer der Kirche.
Im rechten Querschiff lohnt es sich, einen Augenblick vor dem Bild der „schmerzhaften Muttergottes“ zu verweilen. Viele Kinderhauser tragen ihre Sorgen und Nöte zur Mutter Gottes. In der Nähe ist der Tabernakel mit dem Bild eines Pelikans. Der Pelikan ist Symbol für den Opfertod Christi, für seine Kreuzigung und für die Eucharistie. Im linken Seitenschiff finden Sie „Maria mit dem Kind“, ein gotisches Meisterwerk, das auch heute noch mit seiner einfachen Schönheit anrühren kann.
Der Taufstein ist zugleich Weihwasserbecken. Jeder Besucher, der dem alten Brauch folgt, und mit dem in der Osternacht geweihten Wasser das Kreuz über sich macht, erinnert sich an seine Taufe und bejaht erneut seine Zugehörigkeit zum Herrn Jesus Christus und zur Gemeinde aller Getauften.
Lassen Sie die Ruhe und Stille dieses Kirchenraumes auf sich wirken, und fühlen Sie sich wohl in diesem Haus, dem Gotteshaus unserer Gemeinde.
Weitergehende Informationen finden Sie in der großen kirchengeschichtlichen Ausstellung von St. Josef-Kinderhaus im Heimatmuseum Kinderhaus (www.heimatmuseum-kinderhaus.de) und in dem sehr empfehlenswerten Foto-Buch „St. Josef Kinderhaus – Von der Leprosenkapelle zur Pfarrkirche“ von Walter Schröer.
Das Buch mit vielen schönen Bildern und Erläuterungen kann zum Preis von 59 Euro direkt bei Herrn Schröer, Telefon 01577 / 3147735, oder auch im Buchzentrum Kinderhaus erworben werden.
Historische Bilder
Wir danken Herrn Walter Schröer und der Bürgervereinigung Kinderhaus e.V., die die Bilder freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben.
Video zur Kirchengeschichte
In dem folgenden Video „Eine Führung durch das Lepramuseum in Münster“ findet sich nicht nur Interessantes über das Lepramuseum, sondern auch über die (Kirchen-)Geschichte von St. Josef Kinderhaus (von Minute 3:05 bis Minute 5:25 Min.): https://youtu.be/jVB1cReSPsI
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