Wandelmut – Veränderung tut not!
Kaum ein Thema trifft und betrifft uns auf so vielen Ebenen wie „Wandel“: Überall müssen wir uns Veränderungen stellen: in der großen Welt, in unserer Kirche und auch in unserem persönlichen Leben.
Im Großen scheint sich die Welt immer schneller zu drehen und keineswegs in die richtige Richtung: „Klima-Wandel“ ist ein Schlagwort unserer Zeit: eigentlich ein Euphemismus, ein beschönigendes Wort also, für die katastrophalen Folgen, die unser Raubbau an der Schöpfung hat. Auch politisch erleben wir Wandel im Moment eher als etwas Beunruhigendes, z.B. im Erstarken von Rechtsextremisten und Diktatoren in der Welt, in Europa und auch in Deutschland.
Die Kirche galt lange als Symbol für Antiwandel, als Hort von Tradition, Stetigkeit, aber auch Stillstand. Heute erleben wir „Wandel“ im Hinblick auf Kirche vielfach als Abbruch: Das Aussterben der Priester, der Auszug der Gläubigen aus den Kirchen, das drohende Verschwinden der Volkskirche in der Fläche. Anderseits sehnen wir nach wie vor Wandel in unserer Kirche in vielen Bereichen herbei: etwa im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit und Offenheit für Vielfalt. Schließlich steckt das Wort Wandel auch im zentralen Element unserer Gottesdienste: der „Wandlung“. Glauben hat also zentral mit Wandel zu tun, mit Veränderung und Aufbruch zu Neuem!
Persönlich werden wir in unserem Leben ebenfalls immer wieder mit Wandlung/mit Veränderung konfrontiert: mit den großen Lebenswenden: Geburt, Erwachsenwerden, Hochzeit, mit der Geburt von Kindern und Enkeln, mit beruflichen Wechseln, mit Krankheit und Tod. Solche Veränderungen sind unvermeidlich, und sie gehören zum Leben dazu – und am Ende ist das wahrscheinlich auch gut so.
Es gibt eine aus drei Sätzen bestehende Kurzgeschichte von Berthold Brecht, die das auf den Punkt bringt. Sie lautet: „Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: ‚Sie haben sich gar nicht verändert.‘ ‚Oh!‹ sagte Herr K. und erbleichte.‘
Herr K. erbleichte! Vermutlich, weil ihm bewusst wurde, dass es nicht gut wäre, wenn er sich wirklich nicht verändert hätte, denn das würde Stillstand bedeuten. Und wer sich gar nicht mehr verändert, ist vermutlich tot.
Trotzdem: Veränderungen machen uns Angst. Das ist nachvollziehbar, aber so sagen Psychologen, keine gute Strategie: Denn es braucht Mut, es braucht Zivilcourage, die Dinge anzupacken, es braucht „Wandelmut“.
Dieses wie ich finde sehr passende Wort stammt aus einem Text, den Ruth Fehlker, Pastoralreferentin in Coesfeld, zur Corona-Zeit geschrieben hat. Der aber wie ich finde auch weit über die Herausforderungen der Corona-Epidemie hinaus sehr gut beschreibt, worum es geht.
Wandelmutig
Ich mag dieses erfundene Wort. Ich finde, es klingt wie etwas, das wir jetzt gut gebrauchen können. Es verändert sich gerade viel um uns herum und das verlangt uns selbst auch Wandlungsfähigkeit ab: wir hinterfragen, was wir für sicher gehalten haben, wir tun die Dinge anders als vorher oder gar nicht mehr, wir können nicht mehr so gut planen, weil uns manche Sicherheit verloren gegangen ist, ob echt oder nur scheinbar. Das macht unsicher und reizbar und es ist anstrengend. Das ist Veränderung aber immer. Wandel heißt nicht der totale Umsturz. Wandel heißt, den nächsten Schritt gehen, nicht stehenbleiben. Wir wissen nicht, wohin das führt, deswegen braucht das Mut – Wandelmut.
Wir Christen haben allen Grund für diesen Mut, weil es für uns etwas gibt, das hinter allem unwandelbar fest steht: Gott liebt. Das bleibt. Alles andere ist wandeln – auf dem Weg zu Gott.
(Ruth Fehlker: Wandelmutig, in: dies./Daniel Gewand (Hg): Im Leben zu Hause. Lieblingstexte aus dem Coesfelder Broadcast, Münster. Aschendorff 2021)
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Diese Gedanken entstanden bei der Vorbereitung des Ausklang-Gottesdienstes am 7.7.2024 in St. Josef Kinderhaus, der unter dem Thema „Wandel“ stand. Der Autor ist Markus Köster (*1966), Mitglied des Gemeinderats von St. Josef.